Presse und Besucherstimmen

PRESSESPIEGEL

 

 

Robert Walsers typische Figuren

Herisau. In der Krombachkapelle auf dem Areal des Psychiatrischen Zentrums Herisau ist am Mittwochabend „Robert Walsers Mikrogramme – Das kleine Welttheater“ aufgeführt worden. In 14 subtil und äusserst präzis gespielten Szenen begegnen einander für Robert Walser typische, stolze und vagabundierende Figuren. Dargestellt werden Szenen mit einem Minimum an Handlung und überzeugend gesprochenen Texten in der so ganz eigenen Sprache Robert Walsers, die keine Pointe kennt, umso mehr aber höchste poetische Spannkraft besitzt. Robert Walser – er lebte bis zu seinem Tod viele Jahre in der damaligen psychiatrischen Klinik in Herisau – hat zwischen 1926 und 1933 in winziger Schrift hunderte von Prosastücken, Gedichte und dramatische Szenen verfasst: Mikrogramme, die erst vor kurzem nach jahrelanger Entzifferungsarbeit durch Bernhard Echte und Werner Morlang veröffentlicht worden sind. Die Aufführung durch die deutsch-schweizerische Theatergruppe unter der Regie von Christian Bertram fand im Rahmen des „Dritten Herisauer Robert-Walser-Sommers“ statt. Die Bühne hat Architekt Max Dudler, Altenrhein, entworfen. Der „Herisauer Robert-Walser-Sommer“ war im Gedenken an den 50. Todestag des Schriftstellers initiiert worden.

jbü, St. Galler Tagblatt

Mit Christian Bertram hat sich jetzt erstmals ein Regisseur an die Inszenierung einiger Dramolette aus Walsers Spätwerk gewagt. Nach der Berliner Uraufführung von „Mikrogramme – das kleine Welttheater“ wurde am Freitag das Zürcher Publikum zum Spaziergang durch diesen Mikrokosmos geladen. Max Dudler hat die Bühne als einen Schalltrichter gestaltet; die suggestive Lichtregie verwandelte das Bleistiftgebiet in eine Traumlandschaft. Wie im Traum, als ein, wie es an einer Stelle hiess: „langer, tröstender, gleichsam einlullender Kuss“, hat sich der Theaterabend ohne Handlung, aber voller Wortgirlanden und Charmeoffensiven denn auch abgespielt.

Gieri Cavelty, NZZ

Der Regisseur Christian Bertram, der Robert Walsers Mikrogramme in Berlin auf die Bühne gebracht hat und dessen feingliedrige Inszenierung nun auch über das Wochenende in Zürich zu sehen war, hält sich an Walsers Programm: „Die Wahrheit ist endlos, das Spiel hat Grenzen, das Sein ist hüllenlos, der Schein bekleidet.“ So können die Walserschen Figuren, die eigentlich aus dem Bleistiftgebiet kommen, in einer Poetologie des Spiels auf der Bühne ganz zum Stoff werden. Gisela Storch-Pestalozza hat ihnen Kleider auf den Leib geschneidert, die ganz kostbar sind und glänzend.

Im kleinen Welttheater kommen Gedichte und kleine Szenen zur Aufführung, die aus der Schuhschachtel kommen: Es sind Robert Walsers kleine Schriften, also die Stücklein, die er mit Bleistift auf allerhand Zettel in winziger Schrift notierte. Zu sehen ist eine Annäherung in 14 Szenen, die den Figuren alles zu geben versucht, was sie auf der Bühne so zum Leben (und auch zum Sterben) brauchen. Das ist manchmal sehr viel: ein Pferd, ein riesiger Drache, ein grosses Schwert. Ein Moment von historischer Bedeutung. Macht und Einsamkeit. Aber erst, wenn das Grosse sich wieder ganz klein macht, bekommt das Spiel, ganz in der Stille, eine Bedeutung. Dann schweigen die Schauspieler. Dann sehen sie sich nur an, mit einem Blick, der alles sagen will. So können die Figuren glücklich sein.

Rituale der schwerelosesten Unterwerfung sind in diesen Mikrogrammen zu sehen: im „Zimmer Num. 62“, wenn Tilmar Kuhn und Christina Kraft Hotelzimmerbewohner und Stubenmädel spielen; auch in der „Kreuzersonate“, wenn übers Kreuz geschieden und nur durch ein Wort verbandelt wird. Es röchelt und lächelt dann wieder gewaltig wild vor sich hin in der „Tragischen Geschichte aus Missouri“. Der Lächler Kaspar Weiss, die Schaustellerin Sabine Werner, der Schausteller David Imhoof nehmen hier ganz das Wesen von Slapstickfiguren an. An die Schminke muss man sich zuerst ein bisschen gewöhnen. Aufgesetzt ist die Wirkung aber nicht. Sie lässt nur besser in diese Menschen hineinschauen. So kann der Traum als Wirklichkeit begreiflich werden. Robert Walser kommt wieder zu Wort auf eigenem Gebiet. Christian Bertram bringt das Stück an den Ort zurück, wo die Stücklein ihre Entstehung hatten.

Stefan Busz, Der Landbote – Winterthur

Sie galten und gelten als die rätselhaftesten Manuskripte in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts: Robert Walsers sogenannte Mikrogramme. Zwischen 1925 und 1933 ritzte der Dichter winzige, nur zwei Millimeter große Textzeilen in Sütterlin-Schrift auf über 500 lose Zettel und Visitenkarten. 19 Jahre dauerte die Dechiffrierung und beförderte unzählige bislang unbekannte Dialoge, Gedichte und Prosastücke ans Licht. Christian Bertram hat Szenen aus den Mikrogrammen zu einem poetisch-dramaturgischen Gesamtkunstwerk montiert, einem Welttheater im Kleinen.

… dieser verweilende Blick auf Walsers lange als unentzifferbar geltende Miniaturen ist es, der ihr musivisches Glitzern am besten zeigt.

Berliner Morgenpost

BESUCHERSTIMMEN

 

… Erlesene Schauspieler, intelligente, leise Musik, ein gescheites Bühnenbild, alles ästhetisch fein aufeinander abgestimmt (was für ein Licht!), alles eingedampft bis auf die Essenz, konzentriert herausgearbeitet und sichtbar gemacht, alles ist da – und nichts, das schreit: seht, hier bin ich! Ein Vergnügen, solchem „Welttheater“ zuzuschauen.

Und was für Kostüme! was für eine Maske! -, so dass manche Charakterperle mit schönstem Lüster durch sie hindurchschimmern kann (schon nur der Casanova!).

Der Abend würde jedem subventionierten Haus gut zu Gesicht stehen.

Matthias Zschokke, Autor

 

Ganz großes Kompliment!

Prof. Dr. Peter Utz, Literaturwissenschaftler, Lausanne

(Verfasser des Buches über Robert Walser „Tanz auf den Rändern“)

Ihre Art und wie Sie diese schwierigen Texte auf die Bühne brachten, haben mich sehr beeindruckt und bleiben mir vor dem inneren Auge so lebendig, wie wenn’s vor einer Stunde gewesen wäre. […] Meine Freundin, die bei einer der Aufführungen in Herisau im Juli 2006 dabei war, sagte auf der Heimfahrt, es sei unheimlich „feinstimmig“ gewesen, womit sie meinte, wie sehr Sprache und Bühnendarstellung übereinstimmten. Dabei vermied sie, absichtlich oder nicht, das Wort „feinsinnig“ und wich so einer Plattitüde aus und kam dem näher, was mit Worten kaum auszudrücken ist.

Hans Weiss, Bern, 07.01.2007

Betreff: Kleines Welttheater

So will ich endlich ein herzliches Dankeschön nach Berlin schicken und Ihnen mitteilen, dass wir sehr begeistert von der Aufführung waren. Wir sind etwas ‚entwöhnt‘ von der Zürcher Theaterszene und hatten teilweise auch Mühe mit den letzten Aufführungen, die wir am Schauspielhaus oder in Kleinbühnen besucht haben. Es war einfach nicht unsere Welt oder das, was wir zur ‚Erbauung‘ in der Freizeit gesucht haben.

In Ihrem Kleinen Welttheater sind wir aber voll auf die Rechnung gekommen. Die Miniaturen waren präzise gespielt, inhaltlich gut erkennbar und haben verschiedene Aspekte unseres Weltwissens angestossen, ergänzt oder auch hinterfragt.

Alles in Allem hatte ich den Eindruck, dass Walser einen vorsichtigen, interessierten und grundsätzlich konstruktiven Blick auf die Welt wirft, in aller Zerrissenheit und Schwierigkeit, welche der Alltag und die menschliche Interaktion uns bieten.

 Franziska Luchsinger-Vetter